Biennalen, Biennalen…

Standortspektakel. Gentrifizierungsmotor. Raumschiff. Kommt die Rede auf Biennalen, überwiegen Sarkasmen. Immer mehr Städte und Länder schmücken sich mit den wiederkehrenden Großausstellungen internationaler Kunst. War es im letzten Jahr die lettische Hauptstadt Riga, legt sich in diesem Jahr die norwegische Hauptstadt Oslo eine neue Biennale zu.

Je mehr sie wie Pilze aus dem Boden schießen, desto stärker wachsen freilich die Zweifel. Sehen die Biennalen von Singapur bis Feuerland nicht überall gleich aus? Und stehen die weltweit womöglich schon 300 Events nicht oft wie Fremdkörper vor Ort herum?

Es wäre zu früh, von einer Identitätskrise der Biennalen zu sprechen. Auch wenn die Kunstwissenschaftlerin Ute Meta Bauer, selbst einmal Biennale-Kuratorin in Berlin und kürzlich Mitglied der Findungskommission für die nächste documenta-Chef*In einmal über „“Biennalen-Müdigkeit“ klagte.

Mit dem Schlachtruf „Schluss mit den Biennalen“ wäre freilich auch niemand gedient. Trotz mancher Schattenseiten: Unmerklich, aber nachhaltig hat dieses Institut (Kunst-)Geschichte geschrieben.

Entstanden sind die Biennalen aus dem westlichen Industriekapitalismus und dem bourgeoisen Tourismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Und Venedig ist noch immer ihr Flaggschiff. Gerade für die nichteuropäischen Newcomer.

Doch von der längst vergessenen Biennale von Alexandria 1955 – interessanterweise abgehalten in dem Gründungsjahr der documenta – über die Biennalen in Delhi, Havanna, Sharjah, Gwangju, Karachi, Thailand, Dakar sind Biennalen inzwischen aber zu Trendmeldern der globalen Machtverschiebung vom Westen hin zum Süden geworden. Dem Thema also, welches Adam Szymczyk vor knapp zwei Jahren mit der documenta 14 in Athen anvisierte.

All die neu aufploppenden Biennalen ergeben den fortlaufenden Versuch, die Landkarte einer globalen Kunst zu be- statt nationale Narrative fortzuschreiben. Sie sind Gefäße des Transnationalen, so wie hier Künstler und Kuratoren aus aller Herren Länder die globalen Fragen verhandeln, vor deren Lösung die Politik sich drückt.

„The „Seventh Continent“ hat Kurator Nicolas Bourriaud die 16. Istanbul-Biennale im September überschrieben. Auf der es um den Plastikmüll auf den Weltmeeren gehen soll.

Nicht immer bekommt es der Kunst, wenn sie als Ersatzpolitik herhalten soll. Doch besser, es gibt ein paar mehr dieser Probebühnen einer anderen Welt, als zu wenig.

Kemal Kılıçdaroğlu: Der Sisyphos der Demokratie

Die Hoffnung nicht aufgeben. „The Wild Pear Tree“, der jüngste Film des türkischen Filmemachers Nuri Bilge Ceylan, mag nicht sein bester sein. Aber als Metapher für die Verhältnisse in der Türkei taugt seine Schlussszene allemal. Verbissen versucht der junge Lehrer Sinan da auf dem harten Boden eines Brunnens mit der Spitzhacke die Quelle freizulegen, die das verdorrte Grundstück seines Vaters doch noch zum Blühen bringt. „Kemal Kılıçdaroğlu: Der Sisyphos der Demokratie“ weiterlesen

Osman Kavala, oder: Das System aus Willkür und Unrecht

„Es schmerzt, zu erkennen, dass ein Staat keinen Wert auf die Freiheit der eigenen Bürger legt.“ Kein Funken Verzweiflung lag in dem Satz, den Osman Kavala seinen Freunden Mitte Oktober aus dem Gefängnis schrieb. Stattdessen gab er sich so, wie man ihn kennt: mit klarer politischer Haltung, ohne übertriebenes Aufheben von seiner Person zu machen. Grund dazu hätte er: Seit über einem Jahr sitzt der Istanbuler Ex-Unternehmer nun in denselbem Gefängnis in Einzelhaft, in dem schon Deniz Yücel und Peter Steudtner einsaßen. „Osman Kavala, oder: Das System aus Willkür und Unrecht“ weiterlesen

Sao Paulo-Biennale: Experiment gescheitert

„Affective Affinities – Gefühlsverwandtschaften“, der Titel der 33. Biennale von São Paulo kommt emotional daher. Doch das Motto, das Kurator Gabriel Pérez-Barreiros für seine Schau Goethes „Wahlverwandtschaften“ entlehnt hat, hat es in sich. Dem Kunsthistoriker, im Nebenberuf Chef der privaten Cisneros-Kunstsammlung in New York und Caracas, will mit seinem Ansatz das klassische Modell der politischen Themen-Biennalen aus den Angeln heben. Statt selbst einen Parcours in Oscar Niemeyers Biennale-Pavillon im Herzen São Paulo zu legen, lud er sieben Künstler*Innen je eine Schau Ihrer Wahl zu kuratieren. „Sao Paulo-Biennale: Experiment gescheitert“ weiterlesen

Ästhetik des Widerstands

Als türkische Richter vor zwei Jahren die kurdische Künstlerin Zehra Doğan fragten, ob sie Fotos von Häusern in Kurdistan mit türkischen Flaggen versehen habe, antwortete die junge Malerin und Journalistin: „Sie haben dieses Bild gemalt, nicht ich“. Mit denselben Worten hatte Picasso einst einen deutschen Soldaten in Paris beschieden, der ihn fragte, ob er das Bild „Guernica“ gemalt habe – eine Ikone der politischen Kunst. Picassos Antwort sollte zeigen: Dass dieses Bild überhaupt nötig geworden war, das war allein die Schuld der Deutschen. „Ästhetik des Widerstands“ weiterlesen

Wunsch nach Wandel

236 Tage. Seit fast acht Monaten sitzt Osman Kavala heute im Knast. Am 18. Oktober letzten Jahres wurde der Istanbuler Kunstmäzen verhaftet. Seitdem sitzt er im berüchtigten Gefängnis von Silivri. Bis heute gibt es keine Anklageschrift gegen den sanftmütigen Philanthropen und Vorsitzenden der Stiftung Anadolu Kültür. „Wunsch nach Wandel“ weiterlesen

AA Bronson: Kunst als Therapie

„Kunst als Therapie“ – als der Bestsellerautor Alain de Botton vor ein paar Jahren ein Buch diesen Titels veröffentlichte, läuteten bei der Kritik alle Esoterik-Alarmglocken. Zu skurril klang seine Idee, dass die Betrachtung von Edouard Manets Spargelbund die beste Medizin gegen Liebeskummer sei. Womöglich könnte an dem Zusammenhang aber doch etwas dran sein. Das zeigt ein Blick auf Leben und Werk des amerikanischen Künstlers AA Bronson. „AA Bronson: Kunst als Therapie“ weiterlesen