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Bunduqiyyah. Pietrangelo Buttafuoco verstieg sich zu einer abenteuerlichen Begründung, als er vergangenen Donnerstag bekanntgab, dass das Emirat Katar in Zukunft in Venedigs Giardini, jedes Jahr Schauplatz der Kunst- und Architektur-Biennalen, einen eigenen Pavillon erhalten werde.
Natürlich ist der Verweis des, von der Neofaschistin Giorgia Meloni Ende 2023 auf den Stuhl des Biennale-Präsidenten gehievten, Rechtsaußen-Journalisten auf den alten arabischen Namen der Lagunenstadt kaum mehr als eine etymologische Nebelkerze.
In den letzten 50 Jahren durften nur zwei andere Länder – Australien 1987 und Süd-Korea 1994 – auf dem idyllischen Areal einen Pavillon eröffnen. Wer neu hinzukam, wie im letzten Jahr Senegal und Panama, fand es nicht unter seiner Würde, sich in einem der vielen Palazzi in der Stadt oder in den Arsenale, dem historischen Waffenlager der Republik Venetien, zu präsentieren.
Im Kern bedeutet die Entscheidung, einen der symbolträchtigsten Standorte im internationalen Kunstbetrieb einer der umstrittensten Autokratien am Persischen Golf zu übereignen, einen ähnlichen Kotau vor Geld und Öl wie die Vergabe der Fußallweltmeisterschaften 2022 an Katar und 2034 nach Saudi-Arabien. Offenbar will Buttafuoco in die Fußstapfen von FIFA-Präsident Gianni Infantino treten.
Einen Open Call für den überraschend frei gewordenen Bauplatz oder einen offenen Wettbewerb zur dessen bester Gestaltung, der allen Ländern und Architekt:innen offen gestanden hätte, schrieb die Biennale nicht aus. Auch auf dem Terrain der Kunst stecken die Buddies der Broligarchien immer ungenierter ihre Claims ab.
Auf diesen Moment hat das Emirat seit Jahren zielstrebig hingearbeitet. An der Spitze der katarischen Kunstoffensive steht mit Sheikha Al Mayassa Al Thani die Schwester des regierenden Emirs Tamim bin Hamad Al Thani.
Die Chefin aller Katar-Museen ist mit ihrem jährlichen Kunstetat von einer Milliarde Dollar ein gern gesehener Gast auf den Kunstmessen der Welt. Sie wird auch für den neuen Pavillon zuständig sein.
Mit den in den letzten Jahren aus dem Wüstensand gestampften, megalomanen Museen und der Kunst im Öffentlichen Raum von Isa Genzken bis Damien Hirst befriedigt das Emirat das Prestigebedürfnis seiner Herrscherfamilie. Die vor lauter Kultursponsoring aber auch die Hamas finanziell nicht vergißt.
Zugleich arbeitet der zwischen Saudi-Arabien und dem Iran eingeklemmte, winzige Staat mit Hilfe der Kunst an der Suggestion einer, zumindest kulturellen Großmacht. In Venedig ist diese Strategie nun erneut aufgegangen.
Die Kataris haben es eilig. Schon im kommenden Mai, pünktlich zur 19. Internationalen Architekturausstellung, soll dort die von der pakistanischen ArchitektinYasmeen Lari entworfene Installation „Community Centre“ präsentiert werden. Der neue Pavillon soll direkt neben dem von Carlos Scarpa entworfenen Buchhandels-Pavillon am Eingang stehen.
Wenn es ihr einzig um die arabische Referenz gegangen wäre, die Buttafuaco ins Feld führte, hätten womöglich auch Länder wie Marokko oder Mauretanien ein herausgehobenes Fenster der Sichtbarkeit verdient. In Sachen Menschenrechte stehen sie Katar in nichts nach.
Wenn es um Repräsentationsgerechtigkeit gegangen wäre, hätte in den euroatlantisch dominierten Giardini ein Vertreter des Globalen Südens wie Fidschi einen Platz finden können. Und eine symbolische Geste wäre es gewesen, wenn die Biennale nicht einem der reichsten, sondern mit der Republik Burundi dem ärmsten Staat des Globus eines der begehrtesten Grundstücke eingeräumt hatte.
Bei derartigen Kandidaten wäre für die chronisch klamme Biennale freilich nicht viel zu gewinnen gewesen. Einzelheiten des Deals mit Katar hat Präsident Buttafuoco wohlweislich nicht preisgegeben.
Im Arabischen bedeutet Bunduqiyyah so viel wie „Feuerwaffe“. Wahrscheinlich war das Kleinod, mit dem Katar seinen Wunsch nach einem Platz an der Sonne der Lagune Nachdruck verlieh, aus Gold.