Strom und Spinoza

vf_quad_conf1_hi-resWeil uns das ja keiner sagt. Beziehungsweise, weil das offenbar keiner für mitteilenswert hält angesichts eines Landes, das die Metapher für Kultur schlechthin ist: Der neue griechische Kulturminister heißt Aristidis Baltas. Er sieht erkennbar nicht so aus wie Melina Mercouri, seine legendäre Amtsvorgängerin. Dafür ist er Elektroingenieur, Physiker und Philosoph. Kennt sich mit Strom, Kartoffeln, Linsen, Spinoza und Wittgenstein aus. Er hat an der Londoner School of Economics, in Pittsburgh, Princeton und Istanbul gelehrt. By the way: kann es sein, dass die neue griechische Regierung nur aus Männern besteht? Ich fasse es ja wohl nicht. Oder hab ich eine tolle Frau übersehen?

Frau Yadigar ist schön. Ihr Laden auch

10824983_10203092112528521_1144163539_oFrau Yadigars Blumen. Irgendwann ist wahrscheinlich jeder Berliner schon einmal an dem 45 Quadratmeter-Glasverschlag in der Fußgängerebene des U-Bahnhofs Kottbusser Tor vorbeigekommen. Seit 33 Jahren steht Yadigar Igde in dieser floralen Zwischenwelt, 14 Stunden am Tag. „Frau Yadigars Blumen“, die temporäre Installation, mit der die Berliner Foto-Galerie „Maifoto“ vergangene Woche diese prekäre Existenz am Rand ins Rampenlicht der Kunstwelt rückte, war Soli-Aktion, Kontextverschiebung und Perspektivwechsel zugleich. „Frau Yadigar ist schön. Ihr Laden auch“ weiterlesen

Zweigeteilt? Niemals!

1015192_10152766162358988_5337524078695006956_o„Wir lassen uns unsere Documenta nicht nach Athen wegnehmen“. „Die schöne alte alte Idee, an einem einzigen Ort, die Kunst der Welt zusammenzubringen, ist verloren“. Misst man sie nur an der Empörung in Politik und Feuilleton, dann darf man die jüngste Entscheidung der Documenta, das Mekka der Kunst im Jahr 2017 an den südosteuropäischen Rand Europas zu transferieren, schon mal einen vollen Erfolg bezeichnen. „Zweigeteilt? Niemals!“ weiterlesen

Der Verzweifelte

Gustave_Courbet_auto-retratoSelfies: So neu ist diese schöne Kulturtechnik nun wirklich nicht, wie jetzt einige tun. Es ist da ähnlich wie bei der virtuellen Realität. Auch sie hatte ihre Vorläufer. Schon das Barock mit seinem Hang zum Illusionismus stützte sich auf raffinierte malerische Täuschungstechniken und virtuelle Effekte. Das Trompe-l’œil zum Beispiel sollte mittels perspektivischer Darstellung Dreidimensionalität vortäuschen. Und was das „Selfie“ anbetrifft, kann man ohne Mühe 150 Jahre zurückgehen. Gegen das „Selbstbildnis als Verzweifelter“, das der französische Maler Gustave Courbet 1844/45 schuf, ist der amerikanische Schauspieler James Franco, der ungekrönte König der digitalen Selbstentblößungen, ein ziemlicher Waisenknabe.

Schmerzensmänner, Schmerzensfrauen

01_Ai-660Was bewirken eigentlich kulturelle Solidaritätsaktionen? Das könnte man sich am Ende eines beispiellosen medialen Hypes fragen. Denn „Evidence“ – die große Ai-Weiwei-Retrospektive im Martin-Gropius-Bau – war natürlich auch als Solishow für den von den kommunistischen Machthabern in China drangsalierten Künstler gedacht. Sie endete nach drei Monaten mit einem Besucherrekord, wie ihn das Haus seit der Frida-Kahlo-Retrospektive vor vier Jahren nicht erlebt hat. Knapp eine Viertelmillion Menschen besuchte die Schau, selbst Bundespräsident Gauck pilgerte durch den Parcours. Gropius-Bau-Chef Gereon Sievernich bilanzierte eine der spektakulärsten Ausstellungen seiner zu Ende gehenden Amtszeit mit einem denkwürdigen Anfall rhetorischer Blockbusterei. Er erklärte Ai gleich zum „wichtigsten Künstler Chinas“. Doch trotz des immensen Aufwands ist die Aktion Ai seltsam folgenlos verpufft. „Schmerzensmänner, Schmerzensfrauen“ weiterlesen

Curator’s View

ART_BRUSSELS_2014_KVRANCKEN_6948Ein Aluminium-Lineal auf einem grauen Holztisch – “Portrait Bruno van Lierde”, die Arbeit, die der niederländische Fluxus-Künstler Stanley Brouwn 2010 für den belgischen Industriellen Bruno van Lierde schuf, ist nicht gerade das klassische Porträt eines Sammlers. Aber womöglich faszinierte gerade diese radikale Abstraktion den Mann, der sie in Auftrag gab. Zu sehen war die Arbeit in der klitzekleinen Ausstellung “Portrait of the Collector as a Work of Art: An Intimate Journey” nur während der drei Tage der Art Brüssel 2014 Ende April in der belgischen Hauptstadt. Markierte die von Katerina Gregos und Frank Lubbers kuratierte Minischau doch den Kniefall vor dem Menschen mit Geld, ohne den keine Kunstmesse dieser Welt existieren könnte. „Curator’s View“ weiterlesen

Coole Kader

6055d2a63bNach den Kommunalwahlen in der Türkei, so erzählte es dieser Tage der türkische Schriftsteller Murat Uyurkulak, habe er sich erst einmal drei Tage betrunken und seinen Twitter-Account aufgelöst. Fassungslos und verzweifelt reagierten nicht nur Erdogan-Gegner in der Türkei auf den Urnengang Ende März. Und wie es nun weitergehen soll am Bosporus, konnte ihnen vergangenen Mittwoch auf einer Konferenz der Friedrich-Stiftung in Berlin auch niemand so recht sagen. „Coole Kader“ weiterlesen

Eine Frage der Wertschätzung

number-5-elegant-lady-by-jackson-pollock-1951-1395937835_bIst Kunst Spekulationsobjekt? Wer die boomenden Kunstmessen dieser Welt von Köln bis Hongkong beobachtet, wird verständnislos schauen. Natürlich wird mit Kunst spekuliert. Und dass ein Stadtkämmerer im armen Ruhrgebiet glänzende Augen bekommt, wenn er sieht, welch schwindelerregende Summen ein Picasso, Matisse oder Munch immer neu auf internationalen Auktionen erzielen, lässt sich da leicht nachvollziehen. Doch was sich die Essener Stadtväter nun haben einfallen lassen, um den löchrigen Säckel ihres Gemeinwesens zu stopfen, mutet denn doch arg spekulativ an. „Eine Frage der Wertschätzung“ weiterlesen

Ein alter Mann beschämt Deutschland

media.media.7597a60d-97e6-43b0-aa05-098785a5a69a.normalized„Freiwillig gebe ich nichts zurück, nein, nein.“ So hatte “Der Spiegel” den Münchener Kunstsammler Cornelius Gurlitt noch im letzten November zitiert. Nun hat sich der 81jährige bereit erklärt, alle unter Raubkunstverdacht stehenden seiner 1400 konfiszierten Bilder freiwillig auf ihre Herkunft untersuchen zu lassen. Und infrage kommende Bilder zurückzugeben. Im Gegenzug endet ihre Beschlagnahme. „Ein alter Mann beschämt Deutschland“ weiterlesen