„Documenta is the Botox of Capitalism“. Die Umhängetasche mit diesem Spruch, mit der ein Biennalen-Aktivist über die Documenta 14 in Athen flanierte, war natürlich eine populistische Provokation. Ganz abwegig ist der Spruch nicht.
Viele der derzeit fast 200 Biennalen in aller Welt verdanken sich politischen Instrumentalisierungen. Sie dienen dem „nation building“ oder lokalem Stadtmarketing. Und auch diese Schau ließe sich als Geste kultureller Wiedergutmachung für die Austeritäts-Politik Angela Merkels und Wolfgang Schäubles lesen. Stammt doch der überwiegende Teil des Geldes, das die Documenta in Hellas ausgeben konnte, vom deutschen Steuerzahler.
Doch wenn man etwas Adam Szymczyks Schau nicht nachsagen kann, dann, dass sie als Nervengift eines Systems diente, dass seinen Verfallsprozess kaschieren will. Dazu legt sie die Finger zu sehr in die Wunden, die ein solches System lieber übertünchen würde. Das Legitimations-Problem der jüngsten Documenta ist ein anderes.
Das wahllose Potpourri vom Postkolonialismus bis zur Gender-Identität, das Szymczyks Kuratoren-Team in den Athener Venues auffächert, würde jeder x-beliebigen Politkunstbiennale zur Ehre gereichen. Nicht aber einer Schau, die mit einem derartigen Anspruch angetreten war und eine Zäsur in der Documenta-Geschichte markiert.
Fast gewinnt man den Eindruck, dem Kurator sei es weniger darum gegangen, „von Athen“ zu „lernen“, als ein ungeliebtes Symbol der transatlantischen Dominanz der Kunstwelt zu dekonstruieren. Schon in seiner Antrittserklärung kurz nach seiner Wahl hatte Szymczyk das „Privileg“ von Kassels Gastgeberrolle und die Annahme von der Documenta als „Einheit von Handlung, Ort und Zeit“ demonstrativ verabschiedet. „Die Dopplung gehört nun untrennbar zur Documenta“, freute er sich während der Eröffnung über die Documenta-Ausgabe außer Haus.
So durchwachsen auch das ästhetische Ergebnis ausfällt, so sehr könnte es der Weltschau doch den Weg in eine Zukunft ebnen, die auch einer progressiven Ästhetik nicht wirklich behagen kann. Die einer Wanderbiennale zur Illuminierung aller Krisenherde dieser Welt von Kapstadt bis Damaskus. Die Findungskommission, die im Herbst die künstlerische Leitung der Documenta 15 bestimmen wird, steht an einer Wegscheide.