Change. Mit diesem inspirierenden Wort zog Barack Obama 2008 in den Wahlkampf um die amerikanische Präsidentschaft. Wie Phönix aus der Asche des Bush-Regimes erstand da über Nacht ein Hoffnungsträger, wie ihn Amerika seit John F. Kennedy nicht gesehen hatte. Der Professor aus Chicago entfachte eine Volksbewegung, dass selbst hartgesottenen Beobachtern der politischen Kultur der USA die Spucke wegblieb.
Man muss an diesen simplen Tatbestand vielleicht erinnern, um zu ermessen, welcher “Wandel” sich seitdem vollzogen hat. Nicht nur in den USA inspirierte Obamas Mischung aus Kraft und Anmut, Pragmatismus und Vision, Entschiedenheit und Liberalität zu großen demokratischen Hoffnungen.
Klar, dass der Mann eines Tages in Konflikt mit einer Realität kommen würde, die sich nirgendwo auf der Welt sofort und bedingungslos jedem schönen Wollen fügt. Stichwort: Guantánamo. Trotzdem macht das die Enttäuschung derer nicht kleiner, die nun miterleben, wie Obama beim Anblick der Volksmassen in Ägypten zum ausgebufften Realpolitiker à la Henry Kissinger mutierte. Nachdem er zuvor seine Regierung schon Jagd auf den Transparenz-Demokraten Julian Assange und seine digitale Volksbewegung WikiLeaks hatte machen lassen.
In Kairo, der Stadt von der aus Obama mit einer viel beachteten Rede zum weltweiten, friedlichen Wandel und der Verständigung Amerikas mit den Muslimen aufgerufen hatte, rufen die Ägypter Change vielleicht noch lauter als es die Amerikaner je in den Vorwahlen taten, die zum Sieg des Präsidentschaftskandidaten Obama über Hillary Clinton führten. Währenddessen lavierte Obama tagelang, um einen befreundeten Diktator nicht allzu sehr vor den Kopf zu stoßen.
Gegen Hosni Mubarak, der sein Land 30 Jahre lang mit Hilfe des Ausnahmezustand regierte, wirkt der mutmaßliche Kriegsverbrecher George W. Bush, wie er da skrupulös das Für und Wider des Waterboarding abwog, nachgerade wie ein Legalist. Die Angst um Israels Sicherheit ist die eine Sache. Der Respekt vor einem nachgerade naturwüchsig sich Bahn brechenden Volkswillen die andere, wichtigere. Wer Change rhetorisch erst so inbrünstig skandiert, dann aber derart hasenfüßig zurückschreckt, wenn er tatsächlich kommt, den könnte eines Tages das Leben bestrafen. Womöglich genau in einem Jahr, wenn Obama wieder „seine“ Volksbewegung braucht, um wiedergewählt zu werden.
Angesichts von Obama langem Zögern bei dem Wuchern der ägyptischen Graswurzeln wirkt es allerdings einigermaßen komisch, wenn Michelle Obama die nächste Convention der Demokratischen Partei in Charlotte, North Carolina, auf der Barack Obama als Präsidentschaftskandidat seiner Partei wiedergewählt werden will, schon mal vorbeugend-enthusiastisch als “grassroots convention for the people” bezeichnet. Von der Hoffung Obama Abschied zu nehmen, mag schwerfallen. Schließlich heißt die Alternative immer noch Sarah Palin. Aber mit Liebesentzug könnte man schon mal drohen. Vergeßt Obama? Yes, we can!