Statuarisch wirkende Figuren, allesamt schwarz, die in bühnenartigen Ensembles schweigend beisammen stehen. Oft sind die menschhohen Figuren in den Kunstwerken von Lubaina Himid aus Holz gesägt und bunt übermalt: Eine Mischung aus Pop, Klasse, Rasse und Geschlecht, durch die man streifen kann wie durch einen Wald.
Das kulissenhaft-theatralische der Arbeiten der jüngsten Turner-Prize-Trägerin kommt nicht von ungefähr. 1954 in Sansibar geboren, studierte die junge Frau, nachdem sie mit ihrer Mutter nach Großbritannien gekommen war, Theater-Design am Wimbledon College of Arts. 1984 schloss sie es mit einer Arbeit zur Kulturgeschichte am Royal College of Art in London ab und baute sich eine „Karriere“ als Künstlerin auf. Heute lehrt sie als Professorin für Zeitgenössische Kunst an der Universität von Lancashire.
Dass sie als erste schwarze Künstlerin und als älteste Gewinnerin in der 33-jährigen Geschichte des 1984 zum ersten Mal verliehenen, mit 25.000 Pfund dotierten Preises Kunstgeschichte machen würde – damit dürfte die heute 63-jährige Künstlerin vermutlich selbst nie gerechnet haben. Dass die Kritik ihr Werk lange eher beschwieg als pries, hat die ewig Unbeachtete und Unterschätzte mit Langmut getragen. „Ich nehme an, meine Themen waren einfach zu komplex und vielschichtig und ihr musstet ja eure Zeitung verkaufen“ beschied sie die britische Presse nach der Auszeichnung.
Young and emerging – bislang war diese Kunstbetriebsfloskel das Markenzeichen des Turner-Prize. Gut, dass die Organisatoren in diesem Jahr mit seinem immanenten Alterssexismus Schluss gemacht und die Altersgrenze von 50 Jahren aufhoben. Andernfalls hätte eine weitere europäische Kunstöffentlichkeit vermutlich nie die Bekanntschaft einer Künstlerin gemacht, die ihr bis dahin trotz einer respektheischenden Liste von Ausstellungen so gut wie unbekannt war und als Pionierin des britischen Black-Art-Movements zu einem role-model geworden ist. Offiziell wurde der Turner-Prize für Künstler aus Großbritannien für eine herausragende Ausstellung vergeben. In diesem Jahr wirkt seine Vergabe wie die Anerkennung eines Lebenswerks.
Natürlich kann man sich fragen, ob Himids bis zum Beginn der achtziger Jahre zurückreichendes Werk die „öffentliche Debatte über neue Entwicklungen in der zeitgenössischen britischen Kunst befördert“ – die Idee des Turner-Prize. Zumal Himid nicht gerade im multimdeial-konzeptuellen Mainstream arbeitet, der derzeit en vogue ist.
Wie relevant ihr lebenslanger Versuch, dem Leben von Schwarzen und Sklaven angemessen künstlerisch Ausdruck zu verschaffen, aber heute noch ist, kann man der Kontroverse um Dana Schutz‘ Bild eines ermordeten Afroamerikaners in der letzten Whitney-Biennale sehen.
„Ich habe ihn für all die schwarzen Frauen gewonnen, die ihn nie bekamen, obwohl sie es auf die Shortlist geschafft haben“ kommentierte Himid die Entscheidung. Mit dem Preisgeld will die Künstlerin, Lehrerin und Kuratorin andere Künstler*innen unterstützen und sich ein paar verrückte Schuhe kaufen.