Das kleine „g“. Auf diesen Buchstaben reduziert sich die Furcht, es gäbe eine politische Kampagne gegen die Documenta. Doch dass die Kasseler diesen Buchstaben aus ihrer „g“emeinnützigen Documenta-Gesellschaft streichen wollen, ist bislang nur ein Gerücht. Trotzdem hält es eine anschwellende Zahl von Kritikern für ausgemacht, dass die mythische Schau in eine Profitmaschine umgewandelt wird.
Dass sie dagegen in dieser Woche die dritte Protestnote veröffentlichen wollen, mag also überzogen sein, zeugt allerdings auch von einem tief sitzenden Unbehagen vor der Kommerzialisierung des Kulturbetriebs.
In dieser aufgereizten Lage war es auffällig, dass ausgerechnet der im Zuge des sogenannten „Defizit-Skandals“ von der Politik schwer gebashte Documenta-Chef am Wochenende in einer Berliner Gesprächsrunde zur Zukunft der Documenta das Wort „Kampagne“ nicht in den Mund nahm. Nein, sagte Adam Szymczyk leise, es habe keine „political interference“ gegeben, machte sich über die „imagination of income“ lustig, wünschte sich für die Zukunft aber bloß mehr „Kontinuität“ in der Gesellschaftsstruktur.
Während Hans Christ, Chef des ziemlich weit entfernten Württembergischen Kunstvereins den Albtraum von „Profitobsession“, „Eventkultur“ und „politischer Kontrolle“ ausmalte, ohne ihn belegen zu können. Auch die Idee von der „Renationalisierung“ der Documenta hält sich beharrlich. Obwohl der Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle erklärt hat, auch bei zukünftigen Documentas müssten andere Standorte als Kassel möglich sein.
Damit kein Zweifel aufkommt: Der gelernte Polizist hat in Sachen Weltkunstschau schmerzlich dilettiert. In bewährter, sozialdemokratischer Mesalliance von ästhetischer Ignoranz, kameralistischer Eng-Denke und antiintellektuellem Affekt nährte er aus Ärger über das kurz nach seinem Amtsantritt aufgetretene Defizit den Verdacht, die Autonomie der Kunst und des Kurators in Frage zu stellen.
Taktisch-rhetorisches Ungeschick vor anschwellendem Bocksgesang: Hatte die AfD doch kurz zuvor den Documenta-Chef wegen „Veruntreuung“ angezeigt, den Obelisk des afrikanischen Künstlers Olu Oguibe als „entstellt“ geschmäht und nach dem Vorsitz des Kulturausschusses im Deutschen Bundestag geschielt.
Ob man die ohne konkrete Vorwürfe gegangene Documenta-Geschäftsführerin Annette Kulenkampff deswegen nun zu deren „Mutter Theresa“ stilisieren will, wie Kasper König kürzlich auf der jährlichen FAZ-Kunstkonferenz, sei dahingestellt. Doch „Schutz und Solidarität – in Kassel gibt es die so nicht mehr“ – ihr geharnischtes Resümee einer von rechts unter Druck geratenen Kulturpolitik ist schwerer von der Hand zu weisen als das Phantasma einer neoliberalen Verschwörung. Hier liegt die eigentliche Gefahr für die Documenta.