Der Unbesiegbare

pic_d9eebbb1a88eac8d9914ea690d8fca6aHand aufs Herz: Eine klammheimliche Freude dürfte nicht wenige beschlichen haben, als sie die Nachricht vom angeblichen Putsch in der Türkei auf ihren Smartfons vorfanden. Die Vorstellung, dass der stolze Diktator vom Bosporus, aus einem Fotoautomaten zum Volkssturm in Istanbul aufrufen muss. Der Gedanke, dass das autoritäre Großmaul in Berlin oder Teheran um Asyl bettelt, wie es die Gerüchte wissen wollten – diese Bilder hatten etwas Erheiterndes. Der rituelle Stoßseufzer vieler Freunde in der Türkei: „Kann der nicht einfach mal tot umfallen, einfach weg sein?“ schien sich zu erfüllen. „Der Unbesiegbare“ weiterlesen

Liebe, Sex und Tod. Über den Kurator Frank Wagner (1958-2016)

csm_530c901ae1944_36ba7bd1daIn einem ihrer berühmten Projekte hat die neue Gesellschaft für Bildende Kunst – nGbK – vor ein paar Jahren eine Arbeits-Gruppe namens „Wissensspeicher“ eingerichtet. Normalerweise würde man „Archiv“ zu so etwas sagen. Aber mit der wenig attraktiven Vokabel assoziiert man so langweilige Sachen wie das Sammeln und Ablegen von Informationen. Wissensspeicher klingt lebendiger. Mit dem Wort Wissensspeicher sollte angezeigt, dass es nicht nur um das Horten verstaubter Geschichtsdaten ging, sondern um lebendiges Wissen, darum, ein Potential für die Zukunft zu erschließen. „Liebe, Sex und Tod. Über den Kurator Frank Wagner (1958-2016)“ weiterlesen

ESC : Die politische Kraft des ästhetischen Moments

urn-newsml-dpa-com-20090101-160515-90-000460_201605150919_full„Ist dieses Europa-Singen jetzt endlich rum?“. Mit diesem genervten Post mokierte sich vergangenes Wochenende der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier auf seinem Facebook-Account über das Ende des European Song Contest (ESC). Nun sind persönliche Geschmackspräferenzen das eine. Niemand kann Jens Geier zwingen, das was man früher etwas abschätzig „Schlager“ nannte, zu mögen. Es gibt jede Menge illustre ESC-Verächter. Der Essener Abgeordnete sitzt auch nicht wegen Kunst und Kultur im Europäischen Parlament, sondern wegen so wichtiger Fragen wie dem europäischen Haushalt, wegen der Industrie- und Energiepolitik. „ESC : Die politische Kraft des ästhetischen Moments“ weiterlesen

Erdoğans Kulturrevolution

3-formatOriginalSpeertragende Wächter, Krieger in schimmernden Kettenhemden und Soldaten mit Goldhelmen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas staunte nicht schlecht beim Staatsbesuch vergangenes Jahr in der Türkei. Auf der Freitreppe seines funkelnagelneuen Präsidentenpalastes in Ankara hatte Präsident Erdoğan 16 kostümierte Soldaten antreten lassen – lebende Symbole der 16 Sterne seines Siegels, die für die 16 anatolischen Reiche stehen. „Erdoğans Kulturrevolution“ weiterlesen

Lernen von Kassel – Auf dem Weg zur Post-Documenta Melancholie

athens biennale coverZwölf Tage Gespräche, Diskussionen und Performances. Im November 2011 erwachte das Athener Embros-Theater aus einem Dornröschenschlaf. Künstler hatten das vom Kulturministerium aufgegebene, historische Gebäude im Arbeiterviertel Psirri besetzt und reaktiviert, was seine Aufgabe war: Kunst zu zeigen, Kunst zu ermöglichen. „Lernen von Kassel – Auf dem Weg zur Post-Documenta Melancholie“ weiterlesen

Die neuen Bilder und die Herausforderung der Kunst

Bild1Ein silbernes Kaninchen auf weißem Podest in einem leeren Saal. Sanft zoomt eine unsichtbare Kamera auf die spiegelglätte Skulptur, umkreist sie beständig. Doch in der glänzenden Oberfläche des Gesichtsfeldes der Skulptur spiegelt sich nichts als der leere Raum, der ihn umgibt. Keine Reflektion, nirgends: Der Fotograf mit seiner Kamera ist nicht zu sehen. „Die neuen Bilder und die Herausforderung der Kunst“ weiterlesen

Documenta – Airlines

A320_Aegean_Airlines_2-e1457705969859 Ein schmales, silbernes Band, wie ein unruhiger Quecksilberfluss schlängelt es über ein schwarzes Quadrat, von links oben nach ganz rechts unten. Aufmerksame Beobachter der 14. Documenta haben natürlich längst gemerkt, dass die elegante, minimalistische Abstraktion, die seit kurzem deren Website ziert, keineswegs nur zauberhaftes l’art pour l’art darstellt, sondern einen Weg beschreibt: Den von Kassel nach Athen nämlich. Der Stadt, von der wir im nächsten Sommer alle „lernen“ sollen. Je länger man darauf schaut, desto mehr ähnelt sie aber auch der Fluchtroute durch den europäischen Südosten, die derzeit unbedingt abgeriegelt werden soll. „Documenta – Airlines“ weiterlesen

Langeweile ist eine Produktivkraft

boredom2Die Langeweile ist der Hauptfeind unserer Generation, weil wir damit aufgewachsen sind, verwöhnt und von Reizen überflutet. Wir sehnen uns nach der Unterbrechung der Langeweile. Wer an Hunger leidet und nicht im Adlon sitzt, langweilt sich nicht. Wir sind nichts als Produkte einer postmateriellen Generation, die nur noch mit der Langeweile zu kämpfen haben.« In der Mitte klafft ein Loch. Die Amüsiergesellschaft kennt keine Gnade. Von Aufregung geht es zu Event. »Die Sehnsucht danach, die Langeweile zu brechen« ist schwer zu befriedigen. Doch die »Mutter des Nichts« (Leopardi) schlägt garantiert zurück. „Langeweile ist eine Produktivkraft“ weiterlesen

Ästhetin an der Schnittstelle

cmacelRaymond Hains, Sophie Calle, Gabriel Orozco – wer sich auf die Suche nach der kuratorischen Handschrift der Christine Macel macht, trifft auf eine lange Liste von Schauen illustrer Gegenwarts-Künstlerinnen, aber nicht auf das ganz große Projekt. Dass muss nicht heißen, dass die französische Kunsthistorikerin eine Verlegenheitslösung für die nächste Biennale von Venedig wäre oder die Frauenquote nach oben treiben soll. Vergangenen Freitag berief der Biennale-Vorstand die Chefkuratorin des Pariser Centre Pompidou zur Kuratorin der 57. Ausgabe im Frühsommer 2017. „Ästhetin an der Schnittstelle“ weiterlesen

Kultur der Rechtlosigkeit

images Am vergangenen Sonntag kam die erlösende Nachricht. Alle inhaftierten Teilnehmer des Friedensmarsches „I am walking for Peace“ sind frei. Ende Dezember hatte sich ein Häuflein Unverzagter auf den 1500 Kilometer langen Weg von Bodrum an der Ägäis in das von türkischen Sicherheitskräften belagerte Diyarbakir im Südosten der Türkei gemacht. Darunter waren die bekannten türkischen Künstlerinnen Pinar Ögrenci und Atalay Yeni. „Kultur der Rechtlosigkeit“ weiterlesen