Ein schmales, silbernes Band, wie ein unruhiger Quecksilberfluss schlängelt es über ein schwarzes Quadrat, von links oben nach ganz rechts unten. Aufmerksame Beobachter der 14. Documenta haben natürlich längst gemerkt, dass die elegante, minimalistische Abstraktion, die seit kurzem deren Website ziert, keineswegs nur zauberhaftes l’art pour l’art darstellt, sondern einen Weg beschreibt: Den von Kassel nach Athen nämlich. Der Stadt, von der wir im nächsten Sommer alle „lernen“ sollen. Je länger man darauf schaut, desto mehr ähnelt sie aber auch der Fluchtroute durch den europäischen Südosten, die derzeit unbedingt abgeriegelt werden soll. „Documenta – Airlines“ weiterlesen
Curator’s View
Ein Aluminium-Lineal auf einem grauen Holztisch – “Portrait Bruno van Lierde”, die Arbeit, die der niederländische Fluxus-Künstler Stanley Brouwn 2010 für den belgischen Industriellen Bruno van Lierde schuf, ist nicht gerade das klassische Porträt eines Sammlers. Aber womöglich faszinierte gerade diese radikale Abstraktion den Mann, der sie in Auftrag gab. Zu sehen war die Arbeit in der klitzekleinen Ausstellung “Portrait of the Collector as a Work of Art: An Intimate Journey” nur während der drei Tage der Art Brüssel 2014 Ende April in der belgischen Hauptstadt. Markierte die von Katerina Gregos und Frank Lubbers kuratierte Minischau doch den Kniefall vor dem Menschen mit Geld, ohne den keine Kunstmesse dieser Welt existieren könnte. „Curator’s View“ weiterlesen
Eine Frage der Wertschätzung
Ist Kunst Spekulationsobjekt? Wer die boomenden Kunstmessen dieser Welt von Köln bis Hongkong beobachtet, wird verständnislos schauen. Natürlich wird mit Kunst spekuliert. Und dass ein Stadtkämmerer im armen Ruhrgebiet glänzende Augen bekommt, wenn er sieht, welch schwindelerregende Summen ein Picasso, Matisse oder Munch immer neu auf internationalen Auktionen erzielen, lässt sich da leicht nachvollziehen. Doch was sich die Essener Stadtväter nun haben einfallen lassen, um den löchrigen Säckel ihres Gemeinwesens zu stopfen, mutet denn doch arg spekulativ an. „Eine Frage der Wertschätzung“ weiterlesen
Der Große Neutralisator
Kann man den Hitlergruß neutralisieren? Zum Glück musste das Kasseler Amtsgericht gestern nicht über diese Jahrhundert-Frage entscheiden. Doch genau diese Idee, so vertraute es der Maler und Aktionskünstler Jonathan Meese diese Woche dem Spiegel an, steht hinter der abgedroschenen Provokationsgeste, die ihn vor Gericht brachte. Dass die Richter ausgerechnet in der Documenta-Stadt nicht sofort auf die grundgesetzlich verbriefte “Freiheit der Kunst” erkannt, sondern den Prozeß vertagt haben, mag deren Freunde empören. Anselm Kiefer hat’s getan, Martin Kippenberger und Laibach haben’s getan. Warum darf es nicht Jonathan Meese tun? „Der Große Neutralisator“ weiterlesen
Die Selbstabschaffung der Kunst
Ein flatternder Sonnenvogel, der an einer rosaroten Blüte nascht. Das Bild, das der Künstler Khaled Jarrar vor Kurzem in Berlin vorstellte, sah auf den ersten Blick wie eine Kitschpostkarte aus. Wer unter der anrührenden Idylle die Inschrift „State of Palestine“ las, bemerkte die Absicht. Der palästinensische Künstler hatte eine Briefmarke für einen Staat erfunden, der überhaupt noch nicht existiert. „Die Selbstabschaffung der Kunst“ weiterlesen
Die Auswertung der Vergangenheit
Mit der „Quadriennale“ will die Landeshauptstadt Düsseldorf der Kunsthauptstadt Berlin Konkurrenz machen. Doch dafür ist die Schau zu nostalgisch geraten
Der Mann mit dem Hut. Man erkennt ihn sofort. Stechender Blick. Er sagt kein Wort. Nur ab und zu bewegen sich die Lippen beim Atmen. Eine Minute und siebenundvierzig Sekunden fixiert er stumm einen anonymen Betrachter. Man könnte auch sagen: Die „Soziale Plastik“ – so der Titel der Arbeit von 1969 – schweigt.
Man darf die Video-Arbeit, die den Besucher im Erdgeschoss der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen empfängt, durchaus paradigmatisch nehmen. Denn der Mann, der in diesem Jahr im Zentrum der großen Leistungsschau der Kunst steht, die Düsseldorf alle vier Jahre unter dem Namen Quadriennale veranstaltet, wirkt in der zentralen Ausstellung „Parallelprozesse“ wie kaltgestellt, auf lautlos gedreht. „Die Auswertung der Vergangenheit“ weiterlesen
Die Zukunft der Wohlfahrt
Das Berliner Künstlerduo Elmgreen&Dragset bereitet seine „Celebrity“-Schau in Karlsruhe vor
Death of a collector – Tod eines Sammlers. So hieß der mit Sicherheit spektakulärste Beitrag auf der letzten Venedig-Biennale im Sommer 2009. Das dänisch-norwegische Künstlerduo Elmgreen&Dragset hatte dort eine einzigartige Installation in Szene gesetzt. Den dänischen und den nordischen Pavillon hatten die beiden zur Residenz eines betuchten Industriellen umgebaut, der sein ganzes Geld in Kunst angelegt hatte und nach dem Börsenkrach pleite gegangen war. Das Anwesen wurde von einer fiktiven Immobilienfirma namens Vigilante Real Estate zum Kauf angeboten. Die Leiche des Sammlers schwamm in dem Pool vor dem Pavillon. Eine ebenso böse wie gelungene Satire auf den Kunstmarkt und –betrieb. „Die Zukunft der Wohlfahrt“ weiterlesen
Schönheit ist machbar
»Innen Stadt Außen«: Olafur Eliasson im Berliner Martin Gropius-Bau
Weather Project. Wenn Besucher von der legendären Ausstellung in der Londoner Tate Gallery berichten, kommen ihre Augen noch immer ins Leuchten. Vor knapp sieben Jahren hatte der isländisch-dänische Künstler Olafur Eliasson eine riesige Sonne in eine alte Turbinenhalle des britischen Kunsttempels hängen lassen. Über den Boden waberte Nebel. Tagelang lagen die Besucher verzückt im Bann des glühenden Gestirns. Über zwei Millionen Menschen sahen zur Jahreswende 2003/2004 das Spektakel: die größte Einzelausstellung eines lebenden Künstlers, die es jemals gab. „Schönheit ist machbar“ weiterlesen
Die Karawane zieht weiter
In Berlin schließt die Temporäre Kunsthalle. Sie braucht keinen dauerhaften Nachfolger
Am Ende wieder der Anfang: 160 Werke von 63 Architekten, Designern, Komponisten und Künstlern. Schwer zu sagen, was der Aktionskünstler John Bock da auf dem Berliner Schlossplatz zusammengebaut hatte: Flohmarkt oder Wagenburg, Notunterkunft oder Netzwerk. Zum Abschluss eines zweijährigen Experiments verwandelte sich der 1965 geborene, ästhetische Tausendsassa in einen Kurator und schlug noch einmal das Rad des Gesamtkunstwerks. Martin Kippenberger hängte er da neben Kara Uzelmann, Paul McCarthy neben Heike Aumüller. Die Besucher verloren sich in einem vollgestopften Panoptikum der unerwarteten Begegnungen, der heitersten Anarchie, in einem Irrgarten von high and low. „Die Karawane zieht weiter“ weiterlesen