Eine Stadt sucht einen Kulturstaatssekretär. In Berlin brodelt die Gerüchteküche. Die Presse vermisst die möglichen Nachfolger des gestrauchelten André Schmitz. Und dieses ziellose Personal-Gestocher im Nebel ist schon ein großer Teil des Problems. Ob es nun der ewige Beamte, Wissenschaftsstaatssekretär Nevermann, Moritz van Dülmen, der Chef der stadteigenen Kulturprojekte GmbH oder der berufsjugendliche Chef der Staatskanzlei, Björn Böhning, wird. Nur mit einem neuen Gesicht ist der Kulturpolitik in Berlin nicht geholfen. „Berliner Hohlraum“ weiterlesen
Berliner Büchervernichtung
Deutschland schafft sich ab. 1, 3 Millionen Exemplare hat Thilo Sarrazin von seinem antimuslimischen Bestseller verkauft. Angesichts dieses sensationellen Erfolgs ist es absolut verständlich, dass viele die Frage quält, welches Kraut gegen den latenten Rassismus gewachsen ist, den er darin so massenwirksam verbreitet.
Der Berlin-Biennale dürfen wir zumindest für die Erkenntnis dankbar sein, wie dieser Geisteshaltung auf gar keinen Fall beizukommen ist. „Deutschland schafft es ab“ heißt das Werk, mit der sich der Bildhauer und Videokünstler Martin Zet an der 7. Ausgabe der Schau beteiligen will, die die Berliner Kunst-Werke im April veranstalten. Es soll, so der Künstler, eine „raumgreifende Installation“ werden. „Berliner Büchervernichtung“ weiterlesen
Vergeßt Obama!
Change. Mit diesem inspirierenden Wort zog Barack Obama 2008 in den Wahlkampf um die amerikanische Präsidentschaft. Wie Phönix aus der Asche des Bush-Regimes erstand da über Nacht ein Hoffnungsträger, wie ihn Amerika seit John F. Kennedy nicht gesehen hatte. Der Professor aus Chicago entfachte eine Volksbewegung, dass selbst hartgesottenen Beobachtern der politischen Kultur der USA die Spucke wegblieb.
Man muss an diesen simplen Tatbestand vielleicht erinnern, um zu ermessen, welcher “Wandel” sich seitdem vollzogen hat. Nicht nur in den USA inspirierte Obamas Mischung aus Kraft und Anmut, Pragmatismus und Vision, Entschiedenheit und Liberalität zu großen demokratischen Hoffnungen. „Vergeßt Obama!“ weiterlesen
Die Wahrheit ist der Demokratie zumutbar
Wikileaks und die Folgen
Hillary Clinton im Smalltalk mit Ban Ki-moon, George W. Bush herzt Angela Merkel, ein lächelnder Barack Obama trifft Hamid Karzai. Im Fernsehen und vor Kameras zeigt Politik gern ihre Schokoladenseite: Lächelnde Staatsmänner, die sich gegenseitig ihrer Wertschätzung versichern und von „my good old friend“ faseln, wenn sie insgeheim im Grunde glauben, dass ihnen gerade ein unfähiger Widerling gegenübersteht, mit dem endlich mal Tacheles geredet werden müsste. Was die Staatsschauspieler besprochen haben, geht die Regierten dann aber nichts an. In der Regel wird die Öffentlichkeit im Anschluss an solche Begegnungen mit nichtssagenden Statements oder den üblichen Floskeln abgespeist. Besonders beliebt ist der Satz, man habe „beiderseits interessierende Fragen erörtert“. Und: „Das Gespräch verlief herzlich“. „Die Wahrheit ist der Demokratie zumutbar“ weiterlesen
Der demokratische Faktor
Der Milliardär Nicolas Berggruen will erst Kalifornien und dann Amerika retten, hat aber das Wichtigste vergessen
Nicolas Berggruen ist uns äußerst sympathisch. Nicht nur, weil der smarte Sohn des Emigranten, Kunstsammlers und Mäzens Heinz Berggruen das gute alte Kaufhaus Karstadt oder das Café Moskau in Berlin gerettet hat, weil er in der Hauptstadt Gründerzeithäuser aufkauft, denkmalgetreu saniert und darauf achtet, dass sie kulturell genutzt werden; auf diese Weise hat er dem Kreuzberger Künstlerhaus Bethanien zu einer preiswerten neuen Bleibe verholfen. Sondern er ist uns generell sympathisch, weil er so kulturaffin ist, ja seinen Beruf kulturell definiert. Die Politik der Kultur und die Kultur der Politik – das scheint ausgerechnet bei diesem „Unternehmer“ in guten Händen. Endlich mal einer, der die Ökonomie unter den Primat der Kultur stellen wollte, und nicht umgekehrt. „Der demokratische Faktor“ weiterlesen
Schönheitsoperation am Bosporus?
Erdogan will der Türkei ein neues Gesicht geben. So oder ähnlich lauteten in diesen Tagen die Schlagzeilen, mit denen die Medien die Ergebnisse des Verfassungsreferendums vom vergangenen Wochenende in der Türkei kommentierten. Das klingt, als ob am Bosporus eine Schönheitsoperation bevorstünde. Doch die Verfassungsänderungen, die sich die AKP von Premierminister Recep Tayyip Erdogan gerade vom türkischen Volk hat absegnen lassen, sind weit mehr als bloß eine kosmetische Retusche am lädierten Antlitz des Zwei-Hemisphären-Landes. „Schönheitsoperation am Bosporus?“ weiterlesen
Eine unschöne Angelegenheit. Thilo Sarrazin und die Folgen
Milieutheorie. So hieß in den siebziger Jahren in der Bundesrepublik West ein berüchtigtes Reizwort. Dahinter verbarg sich folgende Idee: Das „Milieu“ (ein anderes Wort für soziales Umfeld) entscheidet über das Schicksal des Menschen. Das bildungsbürgerliche Establishment rannte Sturm gegen die modische Formel, verfocht vehement die Prägekraft der Gene und war folglich den zu dieser Zeit grassierenden, meist sozialdemokratischen Bildungsutopien (Hessische Rahmenrichtlinien, Ludwig von Friedeburg usw.) deutlich abhold. Gesellschaftskritisch sozialisierte Zeitgenossen waren natürlich bedingungslose Anhänger der Milieutheorie. Obwohl ihre wissenschaftstheoretische Absicherung dieser oft ideologisch ventilierten Position oft deutlich mangel- um nicht zu sagen lückenhaft war. Aber so war das halt zu dieser Zeit. Man glaubte felsenfest an das Gute, sprich: das Entwicklungsfähige im Menschen. Man könnte auch sagen: An die Kultur. „Eine unschöne Angelegenheit. Thilo Sarrazin und die Folgen“ weiterlesen