Wenn es mal so einfach wäre, Frieden zu schaffen, wie es Alicja Kwade suggeriert. Die Berliner Künstlerin hat Friedrich Drakes „Viktoria“ von der 1873 zur Feier der preußischen Reichsgründung eröffneten Berliner Siegessäule entwaffnet. Hat ihr Lorbeerkranz, Feldzeichen und den Adler abgenommen und die ebenso goldene Replica im Skulpturengarten der Neuen Nationalgalerie abgestellt.
Das hat zu Zeiten von Ukraine- und Gazakrieg einen gewissen Symbolwert. Mit einigem gutem Willen ließe sich die Aktion auch unter „queering the mainstream“ subsumieren. Ist doch die im Volksmund „Goldelse“ genannte Skulptur auch das Symbol von Berlins queerer Community, die in dem Stadtgrün rund um den Großen Stern einer ganz besonderen Form von body politics nachgeht.
Dem Titel der „Siegesgöttin“ entsprechend ist das Ganze aber auch eine echte „Win-Win-Situation“. Der promiverliebte Direktor Klaus Biesenbach kann sein angestaubtes Skulpturengrab mit einer angesagten Frau updaten. Kwade, deren Genius lange in Berlin schnöde übersehen wurde und heute ein Weltstar ist, der auf keiner Biennale fehlt, reiht sich ein in den Kanon der Moderne in der Hauptstadt der Berliner Republik, die sich gerade zur militärischen „Zeitenwende“ rüstet. Und die Freunde der Nationalgalerie können an einem warmen Sommerabend um das Goldene Kalb tanzen.
Dass die Künstlerin die schon viel früher hergestellte Skulptur Mies van der Rohe’s Nationalbungalow nun als Geschenk übereignete, sieht großherzig aus. Zahlt sich für seine Erschafferin dennoch aus. Auch auf symbolisches Kapital gibt es bekanntlich Zinsen. Aber wenn am Ende womöglich doch eine Friedensdividende dabei herausspringt, will ich meine müden Pazifistenaugen mal beide zudrücken.