„No Groko“. Besucher der kleinen Galerie Zwinger in einem verschwiegenen Teil von Berlin-Schöneberg schauen dieser Tage etwas ungläubig auf den Plastikball, der da von der Decke hängt. In roten Lettern prangt das Motto auf der transparenten Ampel. Hat sich jetzt auch die Kunst auf die Seite der SPD-Linken geschlagen?
Als Signal will Claus Föttinger die Losung freilich nicht verstanden wissen. Seine Skulptur erinnert an Buckminster Fullers berühmte Globus-Lampe. Die Fotos und Slogans aus der SPD-Geschichte, die der Objektkünstler, Jahrgang 1960, darauf gemalt hat, spiegeln die Schichten seiner eigenen Biografie.
Sie reicht von einem Bild des Sexualkundeatlas der einstigen SPD-Ministerin Käte Strobel in dem inneren Polyeder bis zu einem des neuen Führungsduos Norbert-Walter Borjans und Saskia Esken auf dem äußeren. Fast wehmütig betrachtet der Künstler, den Kopf in die Hand gestützt, seine handvernähte Wunderlampe, als wäre sie seine zweite Haut: „Wie viele Jahre haben mich diese Bilder begleitet“.
Es zeichnet die originelle Themen-Ausstellung des Kurators und Kritikers Hans-Günther Hafner und des Offenbacher Malereiprofessors Gunter Reski zur „Zukunft der SPD“ aus, dass sie weder in die Häme verfällt, mit der die SPD gleichsam gewohnheitsmäßig von der linksliberalen Intelligenz überzogen wird. Niemand ruft „Arbeiterverräter“. Sie stimmt auch nicht den Schwanengesang an, mit der die Medien die „Eskabolation“ von August Bebels Traditionstruppe begleiten.
Sieht man von den drei zerknäulten roten Schlipsen ab, die Manfred Pernice in eine mit rotem Samt ausgeschlagene Glasbox gelegt hat – dezent ironischer Hinweis auf die Verbürgerlichung einer einst revolutionären Bewegung. Wenig überraschend empfehlen die beteiligten 32 Künstlerinnen ihrem verzagten Wurmfortsatz eine beherzte Linkswende.
Lutz Braun hat die Köpfe von Rosa Luxemburg und Rudi Dutschke auf einen umgestürzten roten Schirm gemalt, wie er an einsamen SPD-Wahlkampfständen steht. „Hey Barista, Yoga-Lehrer, Putzhilfe, Babysitterin“ hat Michaela Meise auf ihren Vorschlag für ein Wahl-Plakat in Neon-Pink geschrieben. „Das Prekariat wählt SPD!“.
Und in drei Videos in fröhlichem Agit-Prop empfiehlt Ina Wudtke den Sozialdemokraten den basisdemokratischen Kampf gegen die Gentrifizierung: „Rekommunalisierung plus – Mieterräte sind ein Muss!“
Das Verhältnis von Kunst und Politik realisiert sich hier als ratlose Empathie. Eine schmissige Utopie für die poröse Formation fällt nämlich auch ihren ästhetischen Hilfstruppen nicht ein. „In Utopia gibt es kein Privateigentum oder Geld“ – einen massenkompatiblen Slogan für die nächste Bundestagswahl gäbe auch Helmut und Johanna Kandls sympathisches Motto nicht her, den die Künstler über ein mittelalterliches Paradiesbild geklebt haben.
Bleibt die Hoffnung auf eine ähnliche Kultfigur wie sie Willy Brandt auf dem ikonischen Plakat in offenem Jeanshemd, mit Mandoline und Kippe im Mundwinkel hergab. Die Fotografin Heidi Specker hat einem Exemplar die Füße der melancholischen Spaßvögel Laurel und Hardy untergeschoben.
Dass ein ästhetischer Normalo wie Kevin Kühnert im Medium der Kunst zu dem schmerzlich vermissten Strahlemann mutieren kann, zeigt das Porträtbild des Juso-Chefs, das Norbert Bisky zu der Schau beigesteuert hat – eine Mischung aus warholisierendem Pop-Star und angeschwultem Coverboy. 22.000 Euro für das vollgekleckerte Ölgeviert sind nicht gerade ein Pappenstiel. Aber als Freiberufler muss der gefühlte Genosse Bisky schließlich an seine Mindestrente denken.