Das Berliner Künstlerduo Elmgreen&Dragset bereitet seine „Celebrity“-Schau in Karlsruhe vor
Death of a collector – Tod eines Sammlers. So hieß der mit Sicherheit spektakulärste Beitrag auf der letzten Venedig-Biennale im Sommer 2009. Das dänisch-norwegische Künstlerduo Elmgreen&Dragset hatte dort eine einzigartige Installation in Szene gesetzt. Den dänischen und den nordischen Pavillon hatten die beiden zur Residenz eines betuchten Industriellen umgebaut, der sein ganzes Geld in Kunst angelegt hatte und nach dem Börsenkrach pleite gegangen war. Das Anwesen wurde von einer fiktiven Immobilienfirma namens Vigilante Real Estate zum Kauf angeboten. Die Leiche des Sammlers schwamm in dem Pool vor dem Pavillon. Eine ebenso böse wie gelungene Satire auf den Kunstmarkt und –betrieb.
Man muss unwillkürlich an die – sogar ausgezeichnete – Collector-Arbeit denken, wenn man das „Anwesen“ der beiden Künstler in Berlin betritt. Seit gut einem Jahr arbeitet das Duo nämlich in einem neuen Atelier. Elmgreen&Dragset haben sich im Norden Neuköllns, kurz vor der Grenze zu Treptow, ein altes Pumpwerk gekauft. Schlappe 300.000 Euro haben sie den Berliner Wasserwerken für das denkmalgeschützte Haus bezahlt. In dessen zentraler Halle man noch einen riesigen schwarzen Dampfkessel und die braun-petrolfarben lasierten Kacheln der Jahrhundertwende bewundern kann. Mit dem Kauf sind sie US-Schauspieler und Regisseur Mel Gibson zuvorgekommen, der das Haus in dem abgelegenen, schäbigen Teil von Berlins Problem-Kiez ebenfalls entdeckt hatte und als Shooting-Location erwerben wollte. Der namenlose Sammler ist tot. Aber zumindest die beiden Künstler haben die Turbulenzen auf dem Kunstmarkt offenbar gut überlebt.
Spätestens seit die beiden Künstler Anfang Oktober 2005 einen Prada-Shop in die Wüste von Texas stellten, umgibt Elmgreen&Dragset, die im Berliner Tiergarten das Homosexuellen-Mahnmal realisierten, auch in Kreisen, die sonst nicht viel mit Kunst zu tun haben, ein Hauch von Coolness. Auch der Berliner Nightlife-Szene sind sie wohlbekannt. Ungefähr so lässig, wie man sie auch schon mal im Kreuzberger Late-Night-Intellektuellentreff „Möbel Olfe“ trifft, konnte man sie auch vergangenen Freitag erleben, als sie einer Handvoll Journalisten in eben diesem neuen Atelier die Pläne für ihre ersten Großausstellung in einem deutschen Museum erläuterten: Unprätentiös in Jeans, Turnschuhen und Hemden traten da zwei durchaus eigenständige Persönlichkeiten auf; gesprächig, aber nicht geschwätzig, kritisch, aber nicht eifernd.
Promotermine wie dieser sind in der Kunstszene zwar einigermaßen ungewöhnlich. Noch dazu, wenn es sich um zwei, international so bekannte Künstler handelt. Eigentlich haben sie es nicht nötig, für eine Ausstellung zu werben, die Beachtung finden wird, auch wenn sie im fernen Karlsruhe stattfindet und (wieder einmal) nicht in der Kunstweltstadt Berlin. Aber so hatten die Kritiker und Journalisten immerhin die Gelegenheit, zwei sympathische, aber auch hochpolitische Künstler von nahem kennen zu lernen, die klug über die soziale Entwicklung zu reflektieren wussten. Ob sie nun über die Entwicklung von Neoliberalismus und Sozialstaat, die Klassengesellschaft in England diskutierten oder über das gentrifizierte Prenzlauer Berg lästerten, das sie vor kurzem verließen. „Ich glaube nicht, dass es hier in Neukölln so werden wird, wie da oben“ sagt Ingar Dragset, hoffnungsvoll grinsend. Wer die Horden amerikanischer Touristen sieht, die sich nachts auf den Weg ins inzwischen coole Neukölln machen, wird sich sagen: Warten wir’s ab.
„Celebrity – the one and the many“ heißt die vielversprechende Schau, die Anfang November in Peter Weibels Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) eröffnet werden wird. Nach „Death of a collector“ in Venedign und der „Welfare“-Schau Anfang 2006 in der Londoner Serpentine-Gallery soll die Ausstellung eine Trilogie beschließen, die sich in den Augen der Künstler mit „the decline of the welfare state“ befasst. In Karlsruhe soll es um die Gesellschaft gehen, in der ein paar wenige, die berüchtigten Celebrities wie Kate Moss zum Beispiel, zu Ikonen des Lifestyles und der Lebensführung der Vielen, Namenlosen werden. In den beiden Lichthöfen des Museums sollen zwei Gebäude-Skulpturen aufgebaut werden: Auf der einen Seite ein Plattenbau, auf der anderen Seite ein großer Ballsaal.
In dem Plattenbau wird man wie ein Voyeur in zehn Wohnungen typischer, normaler Existenzen der „Casting-Gesellschaft“ schauen können: Vom Gayromeo-Chatter über den privat praktizierenden Heilpraktiker bis zum Schulmädchen, dass seine Kleider und Schminkgewohnheiten nach den Celebrieties ausrichtet. In dem feudalen Saal daneben wird ein Kamin stehen, über dem das Bild eines Jungen hängt, der auf dem Weg in die Elite der Gesellschaft ist. Und in einem angrenzenden Ballsaal sollen die Stimmen der feinen Gesellschaft zu hören sein, in deren Bann man steht, von der man aber immer ausgeschlossen wird. Paparazzi sollen die künftigen Besucher, die zum performativen Element der Schau werden, mit Fotoapparat und Blitzlicht jagen.
Es liegt zwar eine gewisse, vereinfachende Gefahr in der Polarität, mit der Elmgreen&Dragset hier arbeiten: Da die bösen Celebrities, da die guten, aber eben nicht selbstständigen, einfachen Menschen, die zu der Erkenntnis geführt werden sollen: „We are the celebrities“, wie es Michael Elmgreen sagte. Zur Verführung gehören bekanntlich immer zwei: Die Verführer selbst und die, die sich verführen lassen. Trotzdem darf man gespannt sein, wie die Schau am Ende aussehen wird: Denn es macht die Kunst von Elmgreen&Dragset so faszinierend, dass sie politische und gesellschaftskritische Inhalte in einer verführerisch zeitgenössischen Ästhetik verpacken, die an die Moderne genauso anschlussfähig ist wie an die Mode.
Eine gewisse Ähnlichkeit des neuen Ateliers der beiden Künstler mit dem luxuriösen Sammlerbungalow in Venedig lässt sich übrigens nicht verleugnen: so minimalistisch, elegant und cool es eingerichtet ist. Das Atelier gilt ja noch immer als der geheimnisvolle Gral, in dem der Rohstoff der künstlerischen Kreativität wie bei einem Vulkan „ausbricht“. Bei Elmgreen&Dragset hat dieser mythische Ort eher den Flair einer Designerwerkstatt. Die alten, stählernen Laufkräne und -stege in der zentralen Halle des Pumpwerks sind alle weiß lackiert und zu luftigen Arbeitsplätzen für ein paar Mitarbeiter in der Höhe umfunktioniert. Ein schwarz gestrichenes Treppenhaus führt in edelspartanische Arbeitsräume mit den bekannten Stahlplatten, Glastischen und schwarzen Designermöbeln. Farbspritzerkaskaden oder gärende Schmuddelecken wie in Diether Roths Kunst gewordenen Ateliers findet man in diesem Arbeitsrefugium nicht. Auch die Utensilien wie Kleider und Einrichtungsgegenstände für die Plattenbauwohnungen oder Fassadenproben für die Skulpturbauten in Karlsruhe sind so sorgsam auf dem blitzblanken Grund ausgebreitet, wie in einem Nobelkaufhaus.
In dem ausgebauten Dachgeschoss mit weiß getünchtem Satteldach, unter der sie die Pläne für ein ihr neues Projekt ausgebreitet haben, stehen ein paar weit ausladende Designersessel, ein futuristischer Kamin mit stählerner Abzugshaube und eine Sitzecke mit schwarzem Ledersofas und bunter Flickendecke auf dem staubfreien Holzboden. Nur die nackten Jünglinge, die Kunstmarktgroupies, die sich in Venedig in den Ledersesseln räkelten, fehlen. Doch dass Elmgreen&Dragset nicht all zu viel auf weltliche Reichtümer und verführerischen Luxus geben, kann man an dem Schild sehen, auf das der Blick fällt, wenn man das Atelier verlässt: „Home is, what you left“. Das klingt wie der ultimative Spruch zur gegenwärtigen Debatte um Migration und Integration. Vermutlich werden auch diese beiden Kunstmigranten irgendwann wieder weiterziehen.