Eine Million Dollar. Als 2010 ein Gemälde Fahrelnissa Zeids bei Sotheby’s dieses Los erzielte, stand die Kunstwelt am Bosporus Kopf. Die Rekordsumme unterstrich nicht nur den Kunstboom, der die Türkei damals erfasst hatte. Er katapultierte auch einen Namen aus der Frühzeit der Moderne wieder nach oben, der jahrzehntelang vergessen schien.
Vorgezeichnet war Zeids Weg dorthin nicht. Auch wenn sie 1901 in Istanbul, als fünfte Tochter in eine Familie von Intellektuellen und ottomanischen Adligen hineingeboren wurde. 1919 besuchte das künstlerisch begabte Mädchen zwar schon mit achtzehn Jahren die erst fünf Jahre zuvor gegründete Kunstakademie für Frauen. Übte sich aber anfangs brav in Landschafts- und Porträtstudien.
Erst ein Aufenthalt in Paris 1928 und die Jahre als Gattin des irakischen Botschafters in London ab 1947 brachten den Umschwung.
Die Gemeinschaftsschau von Tate Modern, DB Kunsthalle und dem Beiruter Sursock-Museum macht Zeids Entwicklung gut deutlich: Von ersten erhaltenen Bild, einem naturalistischen Wasserfarben-Porträt ihrer Großmutter, das sie 1915 als 14-jähriges Mädchen malte, bis zu ihrem Aufgehen in der Moderne und der Rückwendung zur Figuration in Gestalt von Porträts, als sie nach dem Tod Ihres Mann 1975 nach Jordanien zog.
Für die zentrale Rolle der Moderne in ihrem Oeuvre steht das spektakuläre Bild „My Hell“. Das monumentale, fünf Meter breite Gemälde hatte sie 1951 im Pariser Salon des Réalités gezeigt: Ein Strudel abstrakter Formen, rot und gelb unterlegt.
Ihre Bilder aus dieser Periode wirken, als ob man dessen Drippings in Tausende Einzelstücke zerhackt und zu einem Kaleidoskop zusammen gepuzzelt hätte. Immer erkennbar ist zugleich ihr Interesse am orientalischen Ornament und dem byzantinischen Mosaik.
In der wunderbaren Retrospektive kann man eine der faszinierendsten Frauengestalten der Moderne wiederentdecken und das Beispiel eines vergessenen Brückenschlags zwischen ihr und dem Orient. „Ich bin die Nachfahrin von vier Zivilisationen. Die Hand ist persisch, das Kleid byzantinisch, das Gesicht kretisch und die Augen orientalisch“ beschrieb sie ihr Selbstporträt „Someone from the Past“ von 1980, wo sie sich in einem orange glühenden Festkleid selbst porträtiert.